Axonometrie - Integration am Steindamm

Integration am Steindamm Im Sommersemester 2022 beschäftigte sich Annika Willers von der Technischen Hochschule Lübeck in ihrer Masterarbeit in Architektur mit dem Steindamm, dessen mögliche Integrationsfunktion und der Umnutzung eines bestehenden Bürohochhauses. Das im Entwurf betrachtete Gebäude ist das Bürohochhaus des Mieters EOS und es ist festzuhalten, dass dies ein rein fiktiver Entwurfsgedanke ist und Annika Willers jegliche Unterlagen zu Lehrzwecken durch die EOS Gruppe zur Verfügung gestellt wurden. Die Grundstücksgemeinschaft Förster vermietet unter anderem dieses 14-geschossige Bürogebäude, das 1967 in direkter Nachbarschaft zum Hamburger Hauptbahnhof erbaut wurde, an die EOS-Gruppe, ein Tochterunternehmen der OTTO Group.

Als sich durch die seit 2020 andauernde Corona-Pandemie der Trend hin zum Home-Office entwickelte, warf dies hier, aber auch aktuell für viele andere Büroflächen, die Frage der zukünftigen Nutzung auf. Es wurde untersucht, inwiefern sich das hohe, für Büroräume geplante, Gebäude zu Wohneinheiten umplanen und umnutzen lässt und ob dies einen Mehrwert gegenüber der nun vorherrschenden Situation hat. Dabei lag ein wichtiger Augenmerk auf dem Gebäude selbst, dessen Grundrisse und der Nutzung durch mögliche zukünftige Bewohnergruppen.

Der Steindamm ist eine bedeutende Hauptstraße im Stadtteil St. Georg nahe des Hamburger Hauptbahnhofs, dessen Ruf ihm vorauseilt. Vor allem durch die Fertigstellung des Hauptbahnhofs 1906 rückte St. Georg aus der innerstädtischen Randlage als Flaniermeile in den Mittelpunkt der Stadt. Der Durchgangsverkehr brachte für St. Georg den Verlust der kleinstädtischen Idylle mit sich und der Steindamm wurde zum Bahnhofs-, Hotel- und Amüsierviertel. Durch die zentrale Lage erhöhten sich auch die Verkehrswerte der Grundstücke und die Mieten wurde für viele Bewohner nicht mehr tragbar. Dadurch machten sich Armut und Prostitution schon ab dem Kindesalter am Steindamm bemerkbar. Schon damals wurde das Wohnen zunehmend durch das Gewerbe verdrängt. Im Zuge der Konzeptfindung wurden verschiedene Szenarien der Nutzung aufgestellt.

Die in diesem Entwurf daraus resultierenden drei Bewohnergruppen sind: Studierende, Geflüchtete bzw. Asylbewerber und bereits immigrierte Bewohner St. Georgs als Stabilitätsanker, wobei es sich in jedem Fall um eine langfristige Unterbringung handeln soll. Steindamm 71 als Ankunftsort und integratives Wohnprojekt.
Aber wo fängt Integration an? Es ist nicht damit getan, die vorherrschende Sprache zu erlernen und sich die Landesküche anzueignen. Es soll zwischen den Bewohnern zum Austausch kommen, zu Nachbarschaftshilfe und vor allem zu Diskussionen in allem, in dem sich die Kulturen uneinig sind.

Der Entwurf des Hauptgebäudes besteht aus Wohn- und Gemeinschaftsmodulen, deren Abmaße an das bestehende Achsmaß des Bürogebäudes angepasst sind. Hierdurch entsteht die Möglichkeit, die Module weitgehend frei im Gebäudekörper verschieben und anordnen zu können, sodass die unterschiedlichen Bewohnergruppen individuell entsprechend ihrer Bedürfnisse zusammenwohnen können. Es gibt kleine Wohnungen für eine Person, Wohngemeinschaften für 2-8 Personen und Familienwohnungen für 2-7 Personen.
Aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens und dem damit verbundenen Lärm am Steindamm sind die Wohnungen in dem hinteren Gebäudeteil abgewandt vom Steindamm angeordnet. Zum Steindamm gerichtet finden auf allen Etagen die Gemeinschaftsbereiche ihren Platz, die großzügig und flexibel nutzund gestaltbar geplant sind mit der Intention der Aneignung durch die Bewohner.

In allen Geschossen sind die Gemeinschaftsräume so angeordnet, dass es häufig zu Zufallsbegegnungen, Austausch und Diskussionen zwischen den Bewohnergruppen kommt. Unter dem gesamten Gebäude liegt eine Tiefgarage für PKWs und Fahrräder, bei der beabsichtigt wird, aufgrund der Parkplatzverhältnisse auf der Straße, die Nutzung so beizubehalten. Die Zweiteiligkeit des Gebäudes lässt sich in der Nutzung geschickt aufteilen.
In dem 4- geschossigen Anbau von 2003 finden Kursräume für Seminare der gegenüberliegenden HAW, Lernräume für alle Bewohner und Kommilitonen als auch Kursräume für Sprachunterricht, Integrationsprojekte und Workshops ihren Platz. Um darüber hinaus auch andere Bewohner des Steindamms anzusprechen und einzuladen, sind im Erdgeschoss ein Veranstaltungsraum und Gastronomie und eine Gewerbe- oder Ausstellungsfläche angedacht. Durch das Fehlen von Freiräumen durch die dichte Bebauung im Stadtteil und in Anbetracht der Absicht Kinder als Bewohner unterzubringen, ist ein Freiraum und Platz zum Spielen auf dem Dach des Anbaus angedacht.

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