Olaf Scholz über aktuelle Corona-Maßnahmen und außerordentliche Wirtschaftshilfen
Liebe Freundinnen und Freunde,
die Lage ist ernst. Das Infektionsgeschehen entwickelt sich in Deutschland wieder dynamisch.
Das Robert-Koch-Institut meldet aktuell über 16.000 Neuinfektionen täglich - mit
steiler Kurve nach oben. Zwar ist unser Gesundheitssystem besser gerüstet als noch im März,
aber auch die inzwischen erweiterten Kapazitätsgrenzen sind irgendwann erreicht. Das dürfen
wir nicht riskieren.
Wenn Infektionsketten dauerhaft nicht mehr nachverfolgt werden können, dann droht die
Situation außer Kontrolle zu geraten. Denn so kann sich die Pandemie in noch größerer
Geschwindigkeit in unserem Land ausbreiten. Inzwischen lässt sich beim weit überwiegenden
Teil der Neuinfektionen der konkrete Infektionsweg nicht mehr nachverfolgen.
Deshalb müssen wir nun schnell und entschlossen reagieren. Wenn wir jetzt nicht handeln,
dann werden die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kosten am Ende viel höher
sein.
Um die aktuelle Infektionsdynamik zu durchbrechen, hat sich die Bundesregierung mit den
Regierungschefinnen und -chefs der Länder auf ein Gesamtpaket verständigt, das wir im
Vorfeld intensiv mit unseren Ministerpräsidentinnen und -präsidenten, den Parteivorsitzenden
und der Fraktionsspitze beraten haben. Ziel der Maßnahmen ist es, für das gesamte Bundesgebiet
soziale und persönliche Kontakte für eine befristete Dauer massiv einzuschränken.
Damit dies gelingt, ist eine gemeinsame Kraftanstrengung notwendig, die den Bürgerinnen
und Bürgern in den kommenden Wochen viel abverlangen werden.
Dabei haben wir die notwendigen Lehren aus den Erfahrungen im Frühjahr gezogen. Schulen
und Kitas bleiben geöffnet. Die Länder werden dafür sorgen, dass Hygiene-Konzepte dort
für Abstand und Sicherheit sorgen. Auch das Wirtschafts- und Berufsleben soll weiterlaufen.
Damit wir die für das Infektionsgeschehen entscheidenden direkten persönlichen
Kontakte im erforderlichen Maß reduzieren, besteht bei bestimmten Branchen jedoch die
Notwendigkeit temporärer Schließungen.
Uns ist klar, dass diese Bereiche wie Kultur, Veranstaltungen, Sport oder Gastronomie ein
wichtiger Teil des gesellschaftlichen Lebens und auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sind.
Mit einer außerordentlichen Wirtschaftshilfe werden wir daher Unternehmen, Selbstständigen,
Vereinen und Einrichtungen, die von temporären Schließungen erfasst sind, schnell,
großzügig und unbürokratisch helfen. So bekommen Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten
75 Prozent des Umsatzes des Vorjahresmonats erstattet. Diese Finanzhilfen werden
insgesamt ein Volumen von bis zu 10 Milliarden Euro haben. Wir werden zudem den KfW-Schnellkredit
erweitern und für sehr kleine Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern
öffnen. Gleichzeitig werden bereits bestehende Hilfen für hauptbetroffene Wirtschaftsbereiche
über den Jahreswechsel hinaus verlängert und die Konditionen verbessert (Überbrückungshilfe
III). Dabei geht es zum Beispiel um die Kultur- und Veranstaltungswirtschaft
sowie die Soloselbstständigen.
Wir senden mit den zeitlich befristeten Kontaktbeschränkungen das unmissverständliche
Signal: Wenn wir uns jetzt für eine begrenzte Zeit selbst disziplinieren, dann können wir das
Infektionsgeschehen wieder besser in den Griff bekommen. Und wenn wir den November
klug nutzen, gibt es berechtigte Zuversicht, dass die Infektionszahlen runtergehen und
Schulen und Kitas geöffnet bleiben und wir auch die Weihnachtszeit im Kreise unserer
Familien und Freunde genießen können.
Unser Land ist bislang gut durch diese schwere Zeit gekommen, weil die allermeisten Bürgerinnen
und Bürger vernünftig und verständig gehandelt haben. Wir haben es gemeinsam in der
Hand, dass es so bleibt.
Anbei übersende ich Euch eine kurze Information zu den außerordentlichen Wirtschaftshilfen.
Ich hoffe, dass diese für Euch nützlich sind und die notwendige Klarheit schaffen, um die
vielen Fragen zu beantworten, die an Euch gestellt werden.
Mit herzlichen Grüßen
[Olaf Scholz]
Außerordentliche Wirtschaftshilfe des Bundes
Da das Infektionsgeschehen erneut außer Kontrolle zu geraten droht, sind weitere
Beschränkungen erforderlich, um die Zahl persönlicher Kontakte zu verringern. In bestimmten
Branchen wird es auch temporäre Schließungen geben. Es wird daher kurzfristig eine
zielgerichtete außerordentliche Wirtschaftshilfe bereitgestellt, die über die bestehenden
Unterstützungsprogramme deutlich hinausgeht.
Diese außerordentliche Wirtschaftshilfe des Bundes richtet sich an Unternehmen,
Betriebe, Selbstständige und Einrichtungen, die von den temporären Schließungen erfasst
sind. Gleichzeitig arbeitet die Bundesregierung an Unterstützungsmaßnahmen für Betriebe,
die indirekt, aber in vergleichbarer Weise durch die Anordnungen betroffenen sind. Diese
werden sehr zeitnah geklärt.
Die Wirtschaftshilfe wird als einmalige Kostenpauschale ausbezahlt. Den Betroffenen soll
einfach und unbürokratisch geholfen werden. Dabei geht es insbesondere um die Fixkosten,
die trotz der temporären Schließung anfallen. Um das Verfahren so einfach wie möglich zu
halten, werden diese Kosten über den Umsatz angenähert. Bezugspunkt ist daher der
durchschnittliche wöchentliche Umsatz im November 2019. Soloselbständige haben ein
Wahlrecht: Sie können als Bezugsrahmen für den Umsatz auch den durchschnittlichen
Vorjahresumsatz zugrunde legen. Der Erstattungsbetrag beträgt 75 Prozent des
entsprechenden Umsatzes für Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Um nicht in eine detaillierte und sehr komplexe Kostenrechnung einsteigen zu müssen,
werden die Fixkosten also pauschaliert. Dabei gibt das Beihilferecht der Europäischen Union
bestimmte Grenzen vor. Daher werden die entsprechenden Prozentsätze für größere
Unternehmen nach Maßgabe der Obergrenzen der einschlägigen beihilferechtlichen
Vorgaben der EU ermittelt.
Die Finanzhilfen werden ein Finanzvolumen von insgesamt bis zu 10 Milliarden Euro haben.
Die gewährte außerordentliche Wirtschaftshilfe wird mit bereits erhaltenen staatlichen
Leistungen für den Zeitraum, wie zum Beispiel Kurzarbeitergeld oder Überbrückungshilfe,
oder mit eventuell späteren Leistungen aus der Überbrückungshilfe verrechnet.
Ein Beispiel:
Eine Gaststätte hatte im November 2019 Umsätze in Höhe von 100.000 Euro und muss
nun im November 2020 schließen.
Der Erstattungsbetrag liegt also bei rund 75.000 Euro (75 Prozent des Umsatzes), abzüglich
sonstiger Hilfen.
Wenn die Beschäftigten während der Zeit der Schließung in Kurzarbeit sind und das
Unternehmen durch das Kurzarbeitergeld in Höhe von 25.000 Euro für den Monat
unterstützt wird, würde dieser Betrag verrechnet und es würden dementsprechend 50.000
Euro außerordentliche Wirtschaftshilfe ausbezahlt.
Wir wollen, dass die Leistungen schnell ausgezahlt werden können. Deshalb soll die
Auszahlung durch die Ländern nach einem vereinfachten Antrag über die Plattform der
Überbrückungshilfe (www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de) erfolgen. Da die
technische Umsetzung der Einzelheiten einige Zeit in Anspruch nehmen wird, wird die
Gewährung von Abschlagszahlungen geprüft.
Wir werden auch die übrigen Corona-Hilfen für die hauptbetroffenen
Wirtschaftsbereiche verlängern und die Konditionen verbessern. Denn es ist zu erwarten,
dass einige Wirtschaftsbereiche auch in den kommenden Monaten erhebliche
Einschränkungen ihres Geschäftsbetriebes hinnehmen müssen. Dies betrifft zum Beispiel den
Bereich der Kultur- und Veranstaltungswirtschaft und die Soloselbstständigen. Dazu wird das
bestehende Instrument der Überbrückungshilfe weiterentwickelt.
Außerdem wird der KfW-Schnellkredit künftig auch für Unternehmen mit bis zu zehn
Beschäftigten geöffnet. Die maximale Kredithöhe beträgt 300.000 Euro, anhängig vom im
Jahre 2019 erzielten Umsatz.